Mittwoch, 29. Januar 2014

HOMO OECONOMICUS - Ein Auslaufmodell? I



Von Norbert KUBESCH M.A. (Politologe, Jurist)
www.business-mediation.eu

Modelle helfen uns, die Unübersichtlichkeit der Wirklichkeit in Überschaubares zu komprimieren. Was geschieht jedoch, wenn die schlanke Wiedergabe im Modell Wesentliches übersieht? Und was, wenn das Modell eine solche Eigendynamik entwickelt, dass es auf die Wirklichkeit Einfluss nimmt? Ist der HOMO  OECONOMICUS das Frankenstein-Monster der Ökonomie?  You can´t always get what you want…



Die Grundfragen der Ökonomie ergeben sich aus den Untersuchungen der menschlichen Bedürfnisse. Voraussetzung dafür, unsere Bedürfnisse decken zu können, sind vereinfacht gesprochen zwei Aspekte: Ein Markt und der Wille zu handeln. Bedürfnisse motivieren uns, am Markt als Konsumenten aufzutreten, oder als Produzenten durch die Bereitstellung von Güter, die Bedürfnisse anderer erfüllen zu wollen.

Nun sind die Vorlieben der Menschen durchaus verschieden. Und jeder von uns gewichtet diese nach seiner individuellen Präferenzordnung. Doch gibt es grundlegende Bedürfnis-kategorien. Die Bedürfnispyramide des Psychologen Abraham MASLOW gibt Aufschluss:






In dem Moment, da wir zwischen zwei Alternativen, diejenige auswählen, welche uns am meisten zusagt, handeln wir aber nicht nur gemäß unserer persönlichen Präferenzordnung, sondern erhoffen auch damit unseren Nutzen maximieren, uns also ökonomisch rational verhalten zu können. Niemand würde Sushi essen, wenn er rohen Fisch verabscheut.
 

Ebenso ist natürlich  denkbar, dass uns zwei Alternativen gleichwertig erscheinen, sie also nach unserem Empfinden ebenbürtig sind, und uns die Wahl daher schwer fällt, weil wir, wie die Ökonomen sagen indifferent sind. Fisch oder Fleisch?

Die Qual der Wahl. Dem Vegetarier fällt die Entscheidung zwischen Steak, Roastbeef oder Gemüseauflauf  nicht schwer. Er wird wider- spruchsfrei entscheiden. Wenn er den  Gemüseauflauf dem Steak vor- zieht, so wird diese Präferenz auch gegenüber dem Roastbeef gelten. 

Wenn also eine Alternative  A der Alternative B vorgezogen  wird und B, C entspricht, dann wird A auch C vorgezogen. Im Jargon  der Öko- nomen spricht man dann von Transitivität.  Jeder Entscheidungs-situation liegen also zwei wesentliche Aspekte zugrunde: Die Präferenzordnung und die Anzahl der Handlungsalternativen.



Die Landkarte ist nicht das Gebiet

Das ökonomische Konzept des Homo Oeconomicus (im Folgenden HO) kennzeichnet verkürzt ausgedrückt das Ideal des Nutzenmaximierers, der rational bezüglich seiner eigenen Zielpräferenzen handelt. Die dem Konstrukt zugrundegelegten Annahmen basieren zwar auf real zu beobachtende menschliche Eigenschaften, bilden diese jedoch nur reduziert, d.h. verallgemeinernd, als Querschnitt repräsentativer gesellschaftlicher Makrophänomene ab. Der HO verkörpert eine „heuristische Fiktion“, eine „Gedankenretorte“ und erfüllt ausschließlich eine methodologische Funktion.

Man ist geneigt einzuwenden, dass menschliches Verhalten viel zu komplex sei, als das es sich in einem simplen Maximierungsmodell darstellen ließe. Was für menschliches Verhalten gilt, gilt im Übrigen für die Realität allgemein. Komplexität begegnet uns permanent. Seit jeher haben Menschen jedoch Mittel gefunden, diese zu reduzieren, um so handlungsfähig zu bleiben. Mythen, Geschichten (Narration), Symbole und Metaphern (Semiotik) etwa, sind solche Mittel der Vereinfachung, die uns die Welt erklärbar machen.


Die Wissenschaft  bedient sich in gleicher Absicht der Modellbildung. Modelle haben den Charakter einer Sehhilfe. Was ohne noch verschwommen, nur schemenhaft zu erkennen war, sieht man durch die Brille klar und  deutlich. Setzen wir sie wieder ab, so wird das Bild wieder trüb und ungenau. Die Sehstärke  bemisst sich nach der Dioptrienzahl. Ob die Brille also tatsächlich ihren  Zweck erfüllt hängt davon ab, ob die verwendeten Gläser der Sehschwäche angemessen sind.


 
Ähnlich verhält es sich auch bei wissenschaftlichen Modellen. Die Authentizität und Exaktheit der Prämissen, der Annahmen, die zugrundegelegt werden, bestimmen die Schärfe, die Präzision der Aussagen, die daraus gefolgert werden können. Entscheidend ist, Realität nicht spiegeln, sondern wiederspiegeln zu wollen.
 

Modelle sind wie ein Passepartout, in das ein Ausschnitt von Wirklichkeit extrahiert wird. Sie ähneln einer Landkarte, die uns durch unbekanntes Terrain geleitet. Dabei gilt es sich immer wieder vor Augen zu halten: „Die Landkarte ist nicht das Gebiet“ (Alfred KORZYBSKI). Sie führt uns nur durch dasselbe.