Längst ist klar: Ungelöste Konflikte in Unternehmen sind verdeckte Kostentreiber! Und doch nutzen nur wenige Betriebe die enormen Einsparungspotentiale, die sich aus einem systematischen Konflikt-management ergeben.
Von Norbert KUBESCH M.A.
(Politologe, Jurist)
Der Kostendruck für Unternehmen wird
zusehends größer. Die Spielräume Kosten einzusparen, dagegen immer kleiner. Ein
Grund mehr für jedes Unternehmen, sich an ein Thema heranzuwagen, dass
eigentlich laut dem Credo guten Managements keines sein sollte. Die Rede ist
von Konflikten. Genauer von deren Kosten. Ein blinder Fleck, nicht nur in den
Bilanzen, sondern leider auch noch allzu oft in der Wahrnehmung vieler Führungskräfte.
Die Fakten
Seit rund zehn Jahren steht das Thema Konfliktkosten auf der Agenda berufener Fachkreise. Die Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG in 2009 markiert dabei gewissermaßen einen vorläufigen Höhepunkt des Diskurses. Einhelliges Fazit: Systematisches Konflikt- management hilft Kosten zu senken. Schließlich geht es um Größenordnungen von anteilig rund 20 % an den gesamten Personalaufwendungen.
Ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zu
erhöhter Aufmerksamkeit des Themenkomplexes, ist die Gründung des „Round table Mediation und Konfliktmanagement der deutschen Wirtschaft“ 2009, bei dem Vertreter
der deutschen Wirtschaft im Schulterschluss mit der Universität VIADRINA Frankfurt/Oder, über Maßnahmen
und Konzepte für ein modernes Konflikt- management nachdenken. All diese Bemühungen gründen auf der in weiten Teilen der
Wirtschaft längst nicht mehr umstrittenen Schlussfolgerung: Konfliktkosten sind Teil der Unternehmenswelt.
Stellt
sich die Frage, nach den probaten Mitteln, die es erlauben Konfliktkosten effektiv
reduzieren zu können? Sicher
ist: Die beste Konfliktlösung ist, diese
zu vermeiden. Wir alle wissen, dass dies eine Utopie bleiben wird. Dennoch
mag das hehre Ideal Orientierung geben. Zweifellos spielt das Zeitargument eine
wesentliche Rolle. Je früher (wir) Maßnahmen (er-) greifen, desto niedriger die
Eskalationsstufe. Zugegeben eine triviale Erkenntnis. Sie gehorcht jedoch einer
zwingenden Logik.
Exemplarisch sei auf die Broken-Windows-Theorie verwiesen. Erstmals 1982 von dem
Politologen James WILSON und dem
Kriminologen George KELLING der
Öffentlichkeit vorgestellt, erlangte sie zwölf Jahre später, als Teil des
Wahlprogramms des späteren New Yorker Bürgermeisters Rudolph GIULIANI Berühmtheit. Kern der
Argumentation war, dass wenn auch die kleinste Regung sozialschädlichen
Verhaltens konsequent verfolgt würde, damit zu rechnen sei, dass kapitale
Auswüchse sich erst gar nicht einstellten. Kritik gab es reichlich. Von der
Law-and-order-Attitüde, bis hin zu der Schaffung eines Klimas der sozialen
Kälte. Was GIULIANI unter dem Namen »Zero Tolerance« (Null Toleranz) auf den
Weg gebracht hatte, war jedoch von Erfolg gekrönt. Seit seiner Wahl 1994 fiel
die Kriminalitätsrate in New York kontinuierlich.
- Wo etwa Mobbern keine Grenzen aufgezeigt werden, sehen sie ihre irrationale Strategie bestätigt und verfolgen diese nachgerade mit noch unerbittlicherer Konsequenz. Es entstehen Rückkoppelungseffekte, die sich u.a. darin äußern, dass Karrierestreben mit unlauteren Mitteln gleichgesetzt wird. Wer diese ergreift wird gierig, will alles auf einmal. Der mühsame Weg über Fleiß und Disziplin zum Erfolg zu gelangen, erscheint in einer solchen „toxischen Atmosphäre“ dann geradezu absurd.
- Die Furcht nicht mehr auf konventionellem Wege erfolgreich sein zu können, erhöht die Anfälligkeit zum Mitläufertum und senkt gleichzeitig die Bereitschaft zu informeller Kontrolle. Loyalität zahlt sich nicht mehr aus. Eine solche Gemengelage kann zum Tipping Point (Einstieg) zunehmender Willkür und Verrohung der Sitten werden. Dienst wird nicht mehr nach Vorschrift, sondern nach Vorteilserwägungen erbracht.
Unverzügliche
Konfliktbearbeitung
Warum
frühes Eingreifen der Königsweg eines systematischen Konfliktmanagement ist.
Verallgemeinerungsfähig sind Rezepte
zur Lösung von Konflikten mitnichten. Jeder Fall entwickelt die ihm
eigentümliche Dramaturgie. Diese orientiert sich an der Eskalations- dynamik, die
einem Seismographen gleich, Aussagen über die Konfliktstärke erlaubt. Wie das
Beispiel Mobbing zeigt, verbindet sich die zu beobachtende Eskalationsdynamik
im Rahmen unserer Rechtswirklichkeit zu einer perfiden Logik. Warum ist das so?
Zu konstatieren ist zunächst, dass
Mobbing kein Rechtsbegriff ist. Somit ergibt sich auch folgerichtig aus dem Verdacht nicht
zwingend eine Anspruchsgrundlage für eine Klage. Zu prüfen sind daher als
Grundlage von Rechts- und Kostenfolgen gegen den Arbeitgeber, ob ein
Schutzrecht aus § 823 Abs. 2 BGB (Schadensersatzpflicht) verletzt oder eine sittenwidrige,
vorsätzliche Schädigung aus § 826 BGB begangen wurde.
Eine Mobbingepisode
dauert im Schnitt 16,4 Monate
Wie
dem Schaubild oben zu entnehmen ist, gehen dem Mobbing zunächst geringfügige ungelöste
Konflikte voraus, die sich sukzessive in ihrer Ausprägung verstärken. Mobbing stellt
einen sogenannten strukturellen Konflikt dar. Dabei
handelt es sich primär um eine Einteilung, die auf hierarchische Gesichtspunkte
abstellt, in der sich gewissermaßen das Organigramm einer Organisation
wiederspiegelt. Es sind meist vertikale Konfliktbeziehungen um die es geht.
Deren markantes Kennzeichen ist eine asymmetrische Konfliktstruktur. Eine
starke und eine schwache Partei stehen sich gegenüber.
Insbesondere
Friedrich GLASL hat bereits früh auf
die Bedeutung der Eskalationsstufen eines jeden Konfliktszenarios hingewiesen;
in ihrer sich steigernden Destruktivität als auch der nach unten hin rapide
abnehmenden Wahrscheinlichkeit der Bewältigung durch die Betroffenen selbst. Ab
einem gewissen Konfliktniveau ist eine Lösung nurmehr unter Zuhilfenahme
Dritter möglich.Das
Phasenmodell der Eskalation veranschaulicht
nicht nur ab wann die Notwendigkeit unverzüglicher Eingriffe unbedingt
geboten ist, sondern stellt darüberhinaus für die einzelnen Stufen der
Entwicklung eines Konfliktgeschehens die jeweils adäquate
Interventionsmöglichkeit heraus.
Sicherlich
ist das häufig zu späte Intervenieren auf einer relativ hohen Eskalationsstufe
auch eine Folge des weit verbreiteten „Wegschauens“ und „Verdrängens“. Ein Verhalten, welches nicht selten
auch bezüglich der Einhaltung von Sicherheitsvorkehrungen in Risikobereichen zu
beobachten ist. Sie werden nur vakant, wenn tatsächlich etwas passiert. Läuft
alles glatt, nimmt sie keiner wahr. Daher ist die Verlockung groß, die
Vorkehrungen nach anfänglicher Überreaktion peu á peu wieder runterzufahren. Was nicht akut ist,
braucht uns aktuell auch nicht zu kümmern. Vergessen wird dabei, dass Konflikte
prozessualen Charakter haben. Sie ereignen sich nicht wie Wetterumbrüche.
Allenfalls ihr unmittelbarer Ausbruch. Bevor es jedoch dazu kommt, vollzieht
sich eine Entwicklung. Diese aufzuspüren, ihr nachzugehen und so Schlimmeres zu
verhindern, ist die Kunst nachhaltigen und systematischen Konfliktmanagements.
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